Bedarf der Industrie nach Gold und Silber
Nachfrage der Industrie nach Gold
Von 0,5 Tsd. Tonnen der Industrienachfrage nach Gold entfielen 2011 sieben Zehntel auf den Elektroniksektor, ein Zehntel auf zahnmedizinische, zwei Zehntel auf sonstige Anwendungen.[1] Gold reflektiert infrarote Wellenlängen des Lichts besser als energiereichere Lichtstrahlen, weshalb wärme- und lichtreflektierende Beschichtungen damit bedampft werden. In der Zahnheilkunde wird es als Füll- oder Ersatzmaterial eingesetzt. Einige Goldsalze werden in der Rheumatherapie und gegen Arthritis angewendet.[2]
Silbernachfrage der Industrie seit 1990
In der Zeit von 2014 erreichte die Silbernachfrage der Industrie 2022 ihr Hoch der vergangenen Jahre mit einer weltweiten Nachfrage von rund 35.221 Tonnen. Im Vergleich zur Goldnachfrage der Industrie, die 2022 308,5 Tonnen betrug, wurde Silber rund um das 114-fache in der Industrie nachgefragt.
Zuwachs der Silbernachfrage nach Sektoren
Im Vergleich zu Gold wurde Silber 33-mal häufiger von der Industrie nachgefragt: 2011 waren es ohne die Fotoindustrie 15,1 Tsd. Tonnen. Der Anteil der Industrie an der Gesamtnachfrage lag 2011 bei Gold bei 10 %, bei Silber dagegen bei 47 %. Zwischen 1990 und 2011 legte die Industrienachfrage nach Silber im Durchschnitt um 2,7 % pro Jahr zu. Trotz stark steigender Silberpreise und der Finanzmarktkrise von 2008/2009, die das Weltwirtschaftswachstum und die Industrienachfrage vorübergehend abschwächten, stieg die Nachfrage nach Silber seit 2003 um 3,5% pro Jahr. Die folgende Tabelle weist den Zuwachs der Silbernachfrage nach Sektoren aus:
Sektor | Zuwachs 2022 | Zuwachs 2023 |
Industrie (gesamt) | +5% | +4% |
Elektronik | +6% | +3% |
… davon Solartechnologien | +28% | +15% |
Hartlegierungen | -3% | +2% |
Fotografie | -1% | -4% |
Schmuck | +29% | -15% |
Silberwaren | +80% | -24% |
Phys. Investment |
+22% |
-7% |
Hedging | +409% |
---- |
Andere Industrien | + 7% | +6% |
Quelle: World Silver Survey
Nachfrage der Industrie nach Silber
In der Elektronik fällt etwa die Hälfte der Industrienachfrage nach Silber an. Silberhaltige elektronische Bauteile kommen u.a. in Autos, Computern, Flugzeugen, Handys, Kühlschränken, Leuchtdioden, Mikrowellenherden, Spülmaschinen, Telefonen, Tonträgern, TV-Geräten, Waschmaschinen und Zahnbürsten zum Einsatz. Von 2003 bis 2010 wuchs der Silberverbrauch in diesem Bereich um 4,4 % pro Jahr. Besonders ins Gewicht fallen dabei bleifreie Weichlote. 2030 werden hierfür einer Schätzung zufolge bereits über 9 Tsd. Tonnen benötigt (2009: 5,5 Tsd. Tonnen).[3]
Der Anteil von Katalysatoren am industriellen Silberverbrauch lag 2010 bei 11 % (2003: 16 %). Für neuen Aufschwung könnten auf Silber statt Platin basierende Abgaskatalysatoren sorgen, die u.a. in Brennstoffzellen und Fahrzeugen einsetzbar sind.[4]
Auf Hartlegierungen, die für den Automobilbau, die Energieverteilung sowie die Luft- und Raumfahrt eine Rolle spielen, entfielen 2010 ebenfalls 11 % des industriellen Silberbedarfs. Beispielsweise enthielten die Außenbeschichtungen der Space-Shuttles der NASA Silber-Lithium-Aluminium-Legierungen, deren Energieversorgung, wie auch bei anderen Raumfahrzeugen oder Satelliten, durch silberhaltige Silizium-Zellen erfolgte. Einsatzgebiete von Hartlegierungen sind zudem Kühlanlagen, Sanitäranlagen sowie die Mess- und Regelungstechnik. Im Zeitraum von 2003 bis 2010 stieg der Silberbedarf im Bereich der Hartlegierungen um über 3 % pro Jahr.
Aufgrund seiner keimbefreienden Wirkung und seines Reflexionsvermögens ist Silber auch für die Wasseraufbereitung und Solarenergiegewinnung von Bedeutung. Energie und Wasser gelten als globale Megatrends, da nicht erneuerbare fossile Energieträger und globale Wasservorkommen knapp werden. Zusammen lag der Anteil am gesamten industriellen Silberverbrauch 2010 bei 12 %; zwischen 2003 und 2010 stieg der Silberverbrauch für die Wasseraufbereitung um 8 %, für Solarenergie um 22 % pro Jahr.[5]
5 % des Industrieverbrauchs von Silber fiel 2010 auf Batterien, das Wachstum des Silberverbrauchs lag zwischen 2003 und 2010 bei 4 % pro Jahr. Klassische Silberoxidbatterien sind langlebig und werden in Uhren, Kameras, Taschenrechnern und anderen elektronischen Kleingeräten eingesetzt. Silber-Zink-Batterien zeichnen sich durch besonders lange Laufzeiten und eine hohe Energiedichte aus. Sie sind wieder aufladbar und vollständig recycelbar. Möglicherweise werden die Batterien auf Basis der Lithium-Ionen-Technologie vom Markt verdrängt.
Aufgrund seines Reflexionsvermögens ist Silber für Reflektoren prädestiniert. Die ersten dieser Reflektoren waren Spiegel. Auch die Herstellung energieeffizienter Fenster sowie silberbeschichteter Brillengläser und Autoscheiben zur Reflexion der Sonneneinstrahlung gehören zu diesem Anwendungsbereich. Der Anteil am industriellen Silberverbrauch lag 2010 bei 5 %, der Silberverbrauch nahm zwischen 2003 und 2010 um 3,6 % pro Jahr zu.
Der Silberbedarf für Flachbildschirme umfasst 3 % der gesamten industriellen Silbernachfrage. Der jährliche Anstieg war zwischen 2003 und 2010 mit 5,7 % pro Jahr überdurchschnittlich hoch. Da der Trend weiter in Richtung Flachbildschirme geht, ist hier auch künftig mit einer steigenden Silbernachfrage zu rechnen.
Wegen seiner antibakteriellen bzw. keimtötenden Wirkungen ist Silber für medizinische Anwendungen sowie die Lebensmittel- und Körperhygiene von Bedeutung. Der Anteil am industriellen Silberverbrauch lag 2010 bei 1,3 %, zwischen 2003 und 2010 stieg er um 22 % pro Jahr. Neben der Wund- und Zahnbehandlung gibt es viele neue Anwendungen, die künftig bedeutsam werden könnten. Schon lange ist bekannt, dass Silber Kolibakterien und Salmonellen abtötet. Dies gilt in Bezug auf kolloidales Silber aber auch für Viren.[6] Nanopartikel aus Silber können zudem Herzinfarkte, Schlaganfälle, Embolien und Thrombosen verhüten, indem sie Blutplättchen daran hindern, Gerinnsel zu bilden.[7] Zur Abtötung von Bakterien wird Silber in Implantate und medizinische Geräte in Form von Nanopartikeln eingearbeitet. Mit einer auf Silbergewebe basierenden Karte wird die hochfrequente Strahlung von Mobiltelefonen, die den menschlichen Körper belasten und nach aktuellen Ergebnissen von Langzeitversuchen sogar krebserregend sein können, effektiv abgeschirmt.[8] Die antistatischen Eigenschaften von Silber werden für die Herstellung von Bodenbelägen für Büros und Flugzeuge genutzt. Aufgrund seiner geruchshemmenden Wirkungen kamen 2010 auf Silber-Ionen basierende Dusch-Gels sowie hochwirksame und zugleich hautschonende Deodorants auf den Markt.
RFID (Radio Frequency Identification) ist ein funkgesteuertes Etikett mit einer Silber enthaltenden Antenne, das der automatischen Identifizierung und der Erfassung von Daten u.a. in den Bereichen Buchleihe, Eintrittskarten, Fälschungssicherung von Banknoten und Medikamenten, Personen- und Tieridentifizierung (Reisepässe, Chips in der Haut), Skipässe, Verkehr (Mautsysteme, Geschwindigkeitsmessung, Wegfahrsperre, Fahrkarten), Warenbestandsmanagement und Zeiterfassung dient.[9] Pro RFID-Chip werden rund 10 mg Silber verbraucht. Der Anteil am industriellen Silberverbrauch lag 2010 bei 0,5 %. Zwischen 2003 und 2010 stieg er um 44 % pro Jahr. Einer Schätzung zufolge werden 2030 5,7 Tsd. Tonnen Silber benötigt (2010: 0,07 Tsd. Tonnen), die im Grunde nicht wiederverwertbar sind.[10] Dies würde annähernd einem Viertel der Minenförderung des Jahres 2011 entsprechen.
Der Silberverbrauch für Textilien lag 2010 bei 47 Tonnen (0,4 % der Industrienachfrage). Mit eingewobenem Silber versehene Textilien (Smart Textiles) stellen eine Anwendung dar, die nicht nur medizinische Bereiche betrifft, sondern auch den Privatbereich. So werden z.B. Socken, Tücher, Kissenbezüge oder Gesichtsmasken angeboten.[11] In anderen Kontexten kommen auch nanotechnologisch basierte Verfahren zum Einsatz, indem Nanosilber aufgrund seiner keimabtötenden Wirkung in Fasern von Kleidungsstücken eingewoben wird. Sollte sich hier möglicherweise ein Modetrend herausbilden, könnte daraus ein erheblicher zusätzlicher Silberbedarf resultieren.
Silberhaltige Mittel zur Holzkonservierung stellen eine Alternative zu gesundheits- und umweltschädlichen Präparaten wie z.B. auf Chrom-Kupfer-Basis dar. Es wird sich allerdings erst noch erweisen müssen, inwieweit sie sich durchsetzen können.
Angesichts der Probleme mit der Stromnetzinfrastruktur wird der Einsatz sicherer, leistungsfähiger Hochtemperatur-Supraleitungen (HTSL) erwogen. Silberverstärkte Stromleitungen leiten über weite Strecken ein Vielfaches der elektrischen Energie herkömmlicher Kupferkabel.[12]
Zur sicheren langfristigen Datenspeicherung außerhalb von PCs wurden in Deutschland unzerstörbare Mikrofiches mit hohem Silbergehalt entwickelt. Diese Form der Datenspeicherung könnte künftig große Bedeutung erlangen, da herkömmliche digitale Datenspeichermöglichkeiten (Festplatten, DVDs usw.) mit der Zeit Datenverluste erleiden, was selbst dann der Fall ist, wenn Datenträger nicht durch äußere Einwirkungen beschädigt werden.
Zur energiesparenden Lichtversorgung werden zunehmend silberhaltige anorganische Leuchtdioden (LED), in Monitoren silberhaltige organische Leuchtdioden (OLED) eingesetzt.
Zukünftige Nachfrage nach Silber
Die meisten industriellen Anwendungen betreffend dürfte Silber auch künftig verstärkt nachgefragt werden. Einige Anwendungsbereiche werden sogar erhebliche zusätzliche Silbermengen erfordern. Begünstigt wird dies durch das Wirtschaftswachstum der Schwellenländer Ostasiens (z.B. China, Indien), Osteuropas (z.B. Russland) und Lateinamerikas (z.B. Brasilien) sowie die Weiterentwicklung bestehender bzw. Entdeckung neuer Silber erfordernder Anwendungen.
2021 wird eine Industrienachfrage nach Silber von 22 Tsd. Tonnen erwartet.[13] Die jährliche Steigerung läge demnach bei 5 %. Die Industrienachfrage entspräche dann neun Zehnteln der weltweiten Silberförderung 2011, dem Jahr mit der höchsten Silberfördermenge aller Zeiten. Begründet wird dies mit dem starken Anstieg der Silbernachfrage für RFID-Chips, Solarzellen und die Wasserreinigung. Der Rückgang der Silbernachfrage der Fotoindustrie soll sich dagegen nicht weiter fortsetzen. Ebenfalls stabil bleibe demnach die Silbernachfrage nach Schmuck und Silberwaren. Mit den neuen Industrieanwendungen sei im Übrigen ein Trend zu eher sinkenden durchschnittlichen Recyclingquoten verbunden, da aus technischen Gründen und der geringen Einsatzmengen, etwa in RFID-Chips, eine wirtschaftlich sinnvolle Wiedergewinnung nicht möglich sei.
Einschränkend sei angemerkt, dass nicht jede neue industrielle Anwendung geeignet ist, übertrieben euphorische Erwartungen auch zu erfüllen. In der Vergangenheit nahm die Markteinführung von Neuentwicklungen häufig sehr viel mehr Zeit in Anspruch, als in Studien zunächst angenommen. Zudem führten nicht alle aussichtsreich erscheinenden Anwendungen zu dem prophezeiten Silbermehrverbrauch (z.B. silberhaltige Mittel zur Holzkonservierung, die sich auf dem Markt bislang nicht durchsetzen konnten).[14] Umgekehrt kann ein hoher Silberverbrauch aufgrund neuer Produktentwicklungen, die Silber verdrängen, auch wieder zurückgehen, wie das z.B. bei der Verdrängung der analogen durch die digitale Fotografie der Fall ist.
Dieser Beitrag stammt von Dr. Jochen Dehio - Fachbuchautor des Buches "Gold oder Silber - wem gehört die Zukunft?".
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Fußnoten
[1] Nach Angaben von Wikipedia, Gold – Tabellen und Grafiken (Internet: de.wikipedia.org/ wiki/Gold/Tabellen_und_Grafiken, Abruf vom 01.10.2012).
[2] Inzwischen wird Gold allerdings durch preisgünstigere Medikamente verdrängt, zumal es zu allergischen Reaktionen und bei unsachgemäßer Anwendung sogar zu Organschäden führen kann.
[3] Vgl. Fraunhofer Institut System- und Innovationsforschung ISI und Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung IZT (2009), Rohstoffe für Zukunftstechnologien – Einfluss des branchenspezifischen Rohstoffbedarfs in rohstoffintensiven Zukunftstechnologien auf die zukünftige Rohstoffnachfrage (Internet: publica.fraunhofer.de/eprints/urn:nbn:de:0011-n-910079.pdf, Abruf vom 01.10.2012): S. 302.
[4] Vgl. Golem.de, Chinesische Forscher entwickeln Brennstoffzellen ohne Silber-Katalysator ab 2011 verkaufen (Internet: wallstreet-online.de/nachrichten/nachricht/ 2397092.html, Abruf vom 01.10.2012); vgl. Silber.de (2008), Neuartiger Silber-Katalysator in Belgien entwickelt (Internet: silber.de/silber_katalysator_belgien.html, Abruf vom 01.10.2012).
[5] Angewendet wird Silber zudem zur Wetterbeeinflussung. Hierzu wird Silberiodid aus Flugzeugen oder durch Raketen in Regenwolken eingebracht; vgl. Wikipedia, Silberiodid (Internet: de.wikipedia.org/wiki/Silberiodid, Abruf vom 01.10.2012). Dies soll die Hagelbildung verringern bzw. das Abregnen von Wolken induzieren. Dieses Verfahren wurde z.B. bei den Olympischen Spielen in China angewendet, um einer wetterbedingte Störung der Eröffnungsfeier in Peking vorzubeugen.
[6] Vgl. Wikipedia, Kolloidales Silber (Internet: de.wikipedia.org/wiki/Kolloidales_Silber, Abruf vom 01.10.2012).
[7] Vgl. Bild der Wissenschaft (2009), Edelmetalle gegen Schlaganfall, Silberpartikel sollen Thrombosen verhindern (Internet: wissenschaft.de/wissenschaft/news/304039.html, Abruf vom 01.10.2012). – Bei Versuchen mit Mäusen nahm die Blutgerinnung um 40 % ab. Dabei traten keine Nebenwirkungen auf. Die Nanopartikel lösen die Blutplättchen nicht auf, sondern versetzen sie in einem inaktiven Zustand.
[8] Vgl. Silverell – World of Silver (2009), Silberkarte schützt vor hochfrequenter Mobil-funkstrahlung. Presseinformation (Internet: silverell.de/assets/Uploads/Downloads/091004PM safecard.pdf, Abruf vom 01.10.2012).
[9] Vgl. Wikipedia, RFID (Internet: de.wikipedia.org/wiki/RFID, Abruf vom 01.10.2012).
[10] Vgl. Fraunhofer Institut System- und Innovationsforschung ISI und Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung IZT (2009), Rohstoffe für Zukunftstechnologien (Internet-Abruf vom 01.10.2012): S. 302.
[11] Vgl. Silverell – World of Silver (Internet: silverell.de, Abruf vom 01.10.2012).
[12] Das Silver Institute rechnet in diesem Bereich mit einem künftigen Silberverbrauch von 1,5 Tsd. Tonnen pro Jahr.
[13] Vgl. UniCredit Research (2010), Strukturwandel bei Silber. Commodity Outlook (Internet: hypovereinsbank.de/rese_publ_coou_100726_d.pdf, Abruf vom 01.10.2012).
[14] Manchmal haben Fehlprognosen ja etwas Gutes: Wären beispielsweise die Prognosen im Mittelalter zur Entwicklung der Zahl der Pferdekutschen wirklich eingetroffen, würden wir heute längst im Pferdemist ersticken.