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Bestimmungsfaktoren für die Edelmetallpreisentwicklung

Einfluss der zur Neige gehenden unterirdischen Ressourcen

Zwischen 2001 und 2008 war die Goldförderung in jedem Jahr rückläufig und lag 2011 nur geringfügig über dem Niveau von 2001. Es stellt sich daher die Frage, ob beim Gold bereits das globale Goldfördermaximum erreicht worden ist, der sog.

Peak Gold

Der Begriff Peak Gold geht auf den US-Geologen Marion King Hubbert[1] zurück, der dieses bei endlichen Rohstoffen zu beobachtende Phänomen in den 1950er-Jahren erstmals am Beispiel der Förderung von Öl beschrieb. Nach Hubbert entwickelt sich die Produktionsrate eines endlichen Rohstoffs entsprechend einem glockenförmigen Kurvenverlauf. Die Fördermenge steigt zunächst exponentiell an, die Zuwachsraten flachen dann zunehmend ab, bis die Fördermenge schließlich beim Erreichen des Peaks nicht mehr steigt und im Anschluss daran bis zur Erschöpfung der Ressourcen kontinuierlich fällt. Die Theorie von Hubbert ist zwar umstritten, da sie Preiseffekte und den technischen Fortschritt nur unzureichend berücksichtigt, sie verdeutlicht die grundsätzlichen Zusammenhänge aber recht gut. Es ist nicht relevant, wann ein Fördermaximum exakt eintritt und wie sich Ressourcenbasis und Produktionsrate im Detail entwickeln, entscheidend ist die Kenntnis der zugrunde liegenden Mechanismen.

Die Prognose eines globalen Goldfördermaximums erfordert die Schätzung des noch vorhandenen unterirdischen Golds und der Förderung im zeitlichen Verlauf. Nicht eindeutig ist dabei, wie zuverlässig die Daten zu den Ressourcen sind. Die Goldförderung wird zudem durch schwer vorhersehbare geologische, technologische, wirtschaftliche und politische Faktoren beeinflusst. Schwankungen der jährlichen Goldfördermenge dürfen daher nicht überbewertet werden. Die Entwicklung der Goldförderung in einigen wichtigen Förderländern unterstützt allerdings die Peak-Gold-These. Dies gilt insbesondere für das einst bedeutendste Förderland Südafrika, wo die Erschöpfung der legendären Witwatersrand-Goldadern bevorsteht. Der durchschnittliche Goldgehalt je Tonne Gestein liegt bei nur noch durchschnittlich 4 Gramm (1966 waren es noch rund 16 Gramm), da die derzeit im Abbau befindlichen Vorkommen weniger ergiebig sind als die zuvor bereits ausgebeuteten.[2] Die Entwicklung der Goldförderung in Südafrika entspricht – stellvertretend für weitere wichtige Goldförderländer wie die USA oder Australien – fast lehrbuchmäßig dem von Hubbert unterstellten glockenförmigen Verlauf der Produktionsrate endlicher Rohstoffe. In Schaubild wurde eine solche Entwicklung für die weltweite Goldminenproduktion simuliert. Bis zur Erschöpfung der Goldvorkommen kann die gesamte Goldförderung noch bis auf rund eine viertel Mill. Tonnen steigen (bislang gefördertes Gold sowie die noch förderfähigen Ressourcen in der Erdkruste; siehe schwarze Kurve). Die jährlichen Fördermengen werden dieser Projektion zufolge dagegen kontinuierlich sinken.

Simulation der künftigen Goldminenförderung

Simulation der künftigen Goldminenförderung

Quelle:  Eigene Darstellung nach Angaben des U.S. Geological Survey (2010), Gold Statistics (Internet-Abruf vom 01.10.2012); ab 2010: eigene Projektion.

Die Peak-Gold-These wird auch dadurch gestützt, dass der Höhepunkt des Auffindens neuer Goldlagerstätten in die 1980er-Jahre zurückreicht. 2008 lagen Neufunde von Gold bei 13 % der Goldförderung, ein Jahrzehnt zuvor hatten sie die Goldförderung noch übertroffen; gleichzeitig drittelte sich der durchschnittliche Mineralisierungsgrad von 2,2 auf 0,8 Gramm Gold pro Tonne Gestein (1950 lag er noch bei 8 und 1920 bei 22 Gramm).[3] Ursache ist die Erschöpfung höhergradiger Vorkommen sowie der durch gestiegene Preise und neue Technologien möglich gewordene Abbau niedriggradigerer Vorkommen. Neufunde sind meist weniger ergiebig, weisen niedrigere Mineralisierungsgrade auf und befinden sich in politisch instabilen Regionen mit unzureichender Infrastruktur, was zur Erhöhung der Investitions-, Explorations- und Cash-Kosten[4] führt.

Mineralisierungsgrad von Gold
Goldpreis, Förderung, Exploration, Neufunde, Mineralisierung und Cash-Kosten (2001=100)

Quelle: Darstellung nach Angaben von Stöferle, R.-P. (2010), In Gold we trust (Internet-Abruf vom 01.10.2012): S. 50f.; Markt-Daten.de (Internet-Abruf vom 01.10.2012); U.S. Geological Survey (2010), Gold Statistics (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Die variablen Förderkosten je Unze (Cash-Kosten) stiegen aber nicht nur deshalb, weil die Mineralisierungsgrade wegen der zunehmenden Erschöpfung der Vorkommen kontinuierlich sanken, sondern auch wegen der Inbetriebnahme von zuvor aufgrund niedrigerer Edelmetallpreise noch nicht rentablen Minen. Von 2003 bis 2010 erhöhten sich die Cash-Kosten von 180 auf knapp 560 US-$ pro Feinunze Gold, die sonstigen Kosten – Kapitalkosten, Kosten für Exploration, Verwaltung und Lizenzen – waren etwa noch einmal so hoch.[5]

Kosten Goldförderung

Die All-in-Kosten betragen somit inzwischen mehr als 1.100 US-$ gegenüber 300 US-$ im Jahr 2003. Mittel- bis langfristig muss sich der Goldpreis immer über diesen All-in-Kosten liegen, da sonst die Förderung unwirtschaftlich ist.

Die Stagnation der Goldförderung ist insofern bemerkenswert, da sich im zurückliegenden Jahrzehnt der Goldpreis etwa versechsfachte und gleichzeitig die weltweiten Explorationsausgaben versechsfacht wurden (von 0,55 auf 3,25 Mrd. US-$).

Bei Silber ist zwar eine mit Peak Gold vergleichbare Entwicklung zu einem Peak Silver noch nicht unmittelbar erkennbar, daraus abzuleiten, dass sich die Situation hier weniger angespannt darstellen würde, wäre aber ein fataler Trugschluss. Bei Silber ist aus folgenden Gründen (noch) eine etwas andere Ausgangslage anzutreffen:

  1. Rund zwei Drittel des jährlich geförderten Silbers fällt als Nebenprodukt der Förderung anderer Metalle wie Blei, Zink, Kupfer oder Gold an, deren Produktion vom Silberpreis unabhängig ist,
  2. durch die niedrigen Silberpreise in den 1990er-Jahren wurde nur relativ wenig exploriert und viele der reinen Silberminen wurden geschlossen, weshalb einstweilen die Fördermenge der primären Silberminen steigt,
  3. aufgrund der bei Silber im Vergleich zu Gold überwiegend oberflächennahen Silbervorkommen sind die kostengünstig abbaubaren Vorkommen noch nicht im gleichen Maße erschöpft,
  4. Neufunde sind bei Silber weniger wahrscheinlich, da die meisten Vorkommen aufgrund der Oberflächennähe schon entdeckt wurden, zudem sind angereicherte Lagerstätten in Relation zum Edelmetallanteil der Erdkruste bei Silber seltener als bei Gold.

Warum das derzeitige Preisverhältnis zwischen Gold und Silber viel zu hoch ist und woran bzw. anhand welcher Kriterien sich eine als fair anzusehende Preisrelation festmachen lässt, ist Gegenstand der Gold-Silber-Ratio Seite.

Angebotsdefizite bzw. Angebotsüberschüsse

Im nächsten Schaubild werden Angebots- und Nachfrageentwicklung auf dem Silbermarkt, die daraus resultierenden Angebotsdefizite bzw. -überschüsse sowie die damit korrespondierende Entwicklung des Silberpreises zusammengeführt. Angebot und Nachfrage (oberer Teil des Schaubilds) enthalten dabei keine Desinvestitionen/Investitionen, Regierungsverkäufe/Regie­rungskäufe und Hedging/De-Hedging. Die Angebotsseite umfasst demnach nur die Minenproduktion, durch die sich die überirdische Menge an physischem Silber erhöht – was zu Lasten der unterirdischen Ressourcen geht –, und das Recycling, das sich aus der Silberrückgewinnung der Industrie und Fotografie speist sowie dem Abbau von Altsilberbeständen (Einschmelzung von Schmuck, Silberwaren, Barren, Münzen oder Medaillen). Auf der Nachfrageseite wird nur berücksichtigt, was einer Fabrikation bedarf, also von Industrie bzw. Fotografie verbraucht oder zu einem Wertaufbewahrungsmittel bzw. ideellen Wertgegenstand verarbeitet wird.

Als Angebotsdefizit (mittlerer Teil des Schaubilds) wird eine Marktsituation bezeichnet, in der die Fabrikationsnachfrage nach Silber nicht alleine durch die Minenproduktion und das Recycling gedeckt werden kann. Es muss durch einen Abbau von Beständen (Desinvestments, Regierungsverkäufe), die in Zeiten mit Angebotsüberschüssen angelegt worden waren, oder durch Hedging ausgeglichen werden, also den Terminverkauf von noch gar nicht gefördertem Silber. Umgekehrt wird ein Angebotsüberschuss – wie in den Jahren 2009 bis 2011 – durch Investments, Regierungskäufe oder De-Hedging aufgenommen. Der Silbermarkt war seit dem Ende der 1980er-Jahre bis zum Jahr 2007 durch Angebotsdefizite gekennzeichnet, die bei bis zu 5 Tsd. Tonnen pro Jahr lagen. Insgesamt betrug das kumulierte Angebotsdefizit in diesem Zeitraum 46 Tsd. Tonnen Silber (1,5 Mrd. Unzen), also knapp zwei Minenproduktionen des Jahres 2011. Angebot und Nachfrage stiegen zunächst parallel, sodass die Angebotsdefizite auf relativ hohem Niveau verharrten, bis der Silberpreis stieg, die Nachfrage etwas abflachte und das Angebot ausgeweitet wurde.

Einzelne Angebots- und Nachfragesegmente entwickeln sich unterschiedlich, der Silbermarkt muss aber jederzeit im Gleichgewicht sein, was der Preismechanismus und die Terminmärkte herbeiführen. Das aggregierte Angebot und die aggregierte Nachfrage folgen dabei den zuvor beschrieben Zyklen, wobei ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Angebotsdefizite/-überschüsse und dem Silberpreis besteht. Zur Bestimmung von Richtung und Ausmaß dieses Zusammenhangs wird eine Korrelationsanalyse durchgeführt.

Angebotsdefizit bzw. -überschuss

Differenz zwischen silberangebot und silbernachfrage
Angebotsdefizit bzw. Überschuss

Quelle:  Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben des World Silver Survey (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Silberpreis im Rahmen der Korrelationsanalyse

Der Korrelationskoeffizient für den Zusammenhang zwischen Angebotsdefiziten/-überschüssen und Silberpreis liegt bei 0,83. Bei sinkenden Angebotsdefiziten bzw. steigenden Angebotsüberschüssen steigt demnach tendenziell der Silberpreis (und umgekehrt).

Das nächste Schaubild ergänzt die vorherige Betrachtung um den Investitionsbereich. In den 1990er-Jahren erfolgten per Saldo Desinvestitionen, durch die ein Teil der Angebotsdefizite ausgeglichen wurde. Die Möglichkeiten dazu waren irgendwann aber erschöpft. Kurz nach der Jahrtausendwende begannen die Edelmetallpreise daher zu steigen. Investitionen übertrafen per Saldo Desinvestitionen, sodass die Nettoposition nicht länger eine Angebots-, sondern nunmehr eine Nachfragekomponente war.[6] Der Anteil der Investitionsnachfrage an der physischen Silbernachfrage stieg von -9 % im Jahr 2000 (Netto-Desinvestitionen) auf +16 % 2011 (Netto-Investitionen).[7] Der Korrelationskoeffizient für den Zusammenhang zwischen der Investitionsnachfrage und dem Silberpreis weist den Wert 0,72 auf. Auch diese beiden Variablen sind demnach eng positiv miteinander korreliert.

Investitionsnachfrage und Silberpreis

Investitionsnachfrage

Quelle:  Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben des World Silver Survey (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Angebots- und Nachfrageelastizitäten bei Gold und Silber

Die Preiselastizitäten von Angebot und Nachfrage beeinflussen die im theoretischen Teil dieses Kapitels bereits angesprochenen Zyklen der Preis- und Mengenentwicklungen auf den Edelmetallmärkten. Die Minenproduktion von Gold ist seit dem Jahr 2001 trotz des jährlich im zweistelligen Prozentbereich steigenden Goldpreises kaum gestiegen. Die Preiselastizität des Angebots ist somit gering. Die Preiselastizität ist zumindest aber wohl positiv, da bei unverändertem Goldpreis die Goldförderung aufgrund der Erschöpfung der kostengünstig abbaubaren Vorkommen vermutlich deutlich zurückgegangen wäre.

Die Minenproduktion von Silber ist ebenfalls preisunelastisch, da der größte Teil nicht von primären Silberminen, sondern als Nebenprodukt von Minen gefördert wird, deren Hauptprodukt andere, zum Teil konjunktursensible Metalle sind: 28 % der weltweiten Silberförderung wurde 2008 von primären Silberminen gefördert, 37 % waren ein Nebenprodukt der Förderung von Blei und Zink, 23 % von Kupfer, 11 % von Gold.[8] Die Preise der Industriemetalle steigen meist, wenn ihre Produktion bei anziehender Nachfrage kurzfristig nicht entsprechend erhöht werden kann. Erst bei anhaltend hohen Metallpreisen wird die als Nebenprodukt anfallende Silberförderung mittelfristig steigen, die dahinter stehenden Einflussfaktoren führen aber gleichzeitig zu einer steigenden Nachfrage nach Silber, da es ein gefragter Industrierohstoff ist. Zudem steigen bei höherem Wirtschaftswachstum und steigenden Rohstoffpreisen die Inflationsrisiken, was sich positiv auf die Investitionsnachfrage auswirkt, da Silber als inflationssicheres Wertaufbewahrungsmittel und Anlagegut gilt. Bei konjunkturellen Einbrüchen werden Minen, die Silber als Nebenprodukt fördern, ihre Produktion wiederum unabhängig vom Silberpreis zurückfahren.[9] Die häufig unterstellte Konjunkturabhängigkeit des Silberpreises ist somit geringer ist als vermutet. Der Zusammenhang zwischen Minenproduktion und Silberpreis ist dennoch recht eng: Der Korrelationskoeffizient liegt für den Zeitraum von 1900 bis 2010 bei 0,76, für 1970 bis 2010 bei 0,4 und für 1990 bis 2010 bei 0,81.

Auch die Preiselastizität des Recyclings wird meist überschätzt. Es ist nicht rational, Schmuck oder Münzen einschmelzen zu lassen. Wenn diese vergoldet oder versilbert werden sollen, können sie mit einem Aufpreis auf den Materialwert verkauft werden. Insofern würde hier nur der Besitzer wechseln, was aus Recyclingsicht nicht relevant wäre. Bei industriellen Anwendungen erhöht sich zwar bei steigenden Edelmetallpreisen der ökonomische Anreiz, Wiedergewinnungsverfahren einzusetzen, aufgrund des häufig nur sehr geringen Stückverbrauchs sind sie nach gegenwärtigem Stand aber selbst bei höheren Edelmetallpreisen meist unwirtschaftlich.

Regierungs- und Notenbankverkäufe haben als dritter Angebotsbereich inzwischen kaum noch Bedeutung. Für die Höhe der offiziellen Gold- und Silberlagerbestände wie der Warenterminbörse COMEX spielen die Edelmetallpreise keine Rolle, da sie als Reserve zum kurzfristigen Ausgleich von Ungleichgewichten auf dem Markt von physischem Edelmetall dienen. Notenbanken, die durch Goldverkäufe (oder deren Ankündigung) in der Vergangenheit den Goldpreis zu drücken versuchten, sind inzwischen Nettokäufer von Gold. Sie treten damit – wie der Investitionsbereich – auf der Nachfrageseite in Erscheinung.

Die Edelmetallnachfrage der Industrie ist relativ preisunelastisch, da vor allem Silber in vielen Anwendungen unverzichtbar ist und kaum ersetzt werden kann, was in marktengen Situationen mitunter große Preissprünge bewirkt.[10] Edelmetalle kommen in vielen Massenanwendungen nur im Spurenbereich zum Einsatz, sodass sie keinen wesentlichen Kostenfaktor darstellen. Ein Auto enthält z.B. rund eine Unze Silber, ein Handy 250 mg.[11] Auch stark steigende Silberpreise fallen somit nur relativ wenig ins Gewicht: Erhöht sich der Silberpreis z.B. von 20 auf 50 US-$, liegen die Mehrkosten pro Auto nur bei 30 US-$, die pro Handy bei 0,25 US-$.

Die physische Schmucknachfrage entwickelt sich unterschiedlich: Während bei Gold ein starker Rückgang zu verzeichnen war, ist sie bei Silber vergleichsweise stabil. Budgetrestriktionen erfordern offenbar, vom teureren Gold auf Silber umzusteigen. Die Rückgänge bei Silberwaren sind keine Folge der hohen Silberpreise, sondern von geänderten Konsumentenpräferenzen und neuen Materialien zur Substitution von Tafelsilber, ebenso wenig die einbrechende Silbernachfrage der Fotografie, die auf die technologisch bedingte Verdrängung der analogen durch die Digitalfotografie zurückzuführen ist.

Einfluss von Inflation, Zinsen, Geldmenge und US-Dollar

Inflation trat bereits auf, als Gold- und Silbermünzen noch einziges Zahlungsmittel waren. Größere Edelmetallfunde konnten Inflation hervorrufen (was vor der Industrialisierung aufgrund der wenig entwickelten Explorations- und Fördermethoden aber selten vorkam), es erfolgten aber auch Inflation auslösende Manipulationen, indem Münzen an ihren Rändern abgeschliffen wurden (dies wurde erst durch das sog. Rändeln eingeschränkt, das die Münzränder riffelte). Bedeutender war die staatlicherseits verordnete Senkung der Edelmetallgehalte der Münzen.[12] Dies alles war aber nichts gegen die Geldschöpfung im Zeitalter des ungedeckten Papiergelds. Befreit von den Fesseln eines Edelmetallstandards wächst die Geldmenge seit vier Jahrzehnten erheblich schneller als das nominale Wirtschaftswachstum. Die USA lassen sich seit den 1970er-Jahren ihr Wirtschaftswachstum durch die Herausgabe von Staatsanleihen vom Ausland finanzieren, was sich in gigantischen Haushalts- und Leistungsbilanzdefiziten niederschlägt, und inflationieren ihre Auslandsschulden durch Dollarabwertungen.

Die Inflationsraten waren in den 1970er-Jahren äußerst hoch. In den darauf folgenden drei Jahrzehnten war dies dann nicht mehr im gleichen Maße der Fall. Zum einen hing dies mit den preisdämpfenden Wirkungen der Globalisierung, dem steigenden Wettbewerb und dem Druck der Finanzmärkte zusammen, wodurch die Zinsen sanken und gleichzeitig die Geldschöpfungs- und Verschuldungsbereitschaft stieg.[13] Zum anderen waren dafür Manipulationen der Inflationsrate verantwortlich, die zur Folge haben, dass die tatsächliche Inflation in den offiziellen Inflationsraten nicht voll zum Ausdruck kommt. Es kam zudem zu einer sog. Asset Inflation, da sich ein Teil der überschüssigen Geldmenge attraktive Anlagemöglichkeiten suchte, was Ausdruck in steigenden Vermögenspreisen fand (Aktien, Immobilien usw.). Dies führt zur Herausbildung von Spekulationsblasen, die sich eruptionsartig entladen, wie im Jahr 2000 durch das Platzen der New-Economy-Blase oder 2008 der Immobilienblase und der dadurch ausgelösten Finanzmarktkrise 2008/2009.[14]

Die Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzmarktkrise dienten aber nicht der Problemlösung, im Gegenteil: Es erfolgte eine zusätzliche Erhöhung der Geldmenge und eine massive Aufblähung der Verschuldung durch (1) das staatliche Aufkaufen fauler Kredite bzw. weitgehend wertlos gewordener strukturierter Wertpapiere, (2) die Auflegung von groß dimensionierten Bankenrettungs- und Konjunkturprogrammen und (3) weitere Zinssenkungen. Dadurch wurde letztlich auch die Voraussetzung für die Staatsschuldenkrise 2011/2012 geschaffen. Ein ähnliches Prozedere wiederholt sich immer wieder: Man versucht den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, indem man Krisen mit den Mitteln zu lösen versucht, die diese ursächlich auslösten. Die Verwerfungen im Finanzsektor und künftige Krisen werden aufgrund dieses Teufelskreises immer ausgeprägter. Geldmengenexpansion, Verschuldungsorgien und Währungsturbulenzen haben dabei einen zunehmenden und von Mal zu Mal größer werdenden Vertrauensverlust in das Finanz- und Währungssystem zur Folge.

Die drei nachfolgenden legen nahe, dass es zwischen der Inflationsrate bzw. der Zins-, Geldmengen- und Währungsentwicklung sowie dem Silberpreis Zusammenhänge zu geben scheint.

Inflation und Silberpreis seit 1970

Inflation und Silberpreis seit 1970

Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben von Markt-Daten.de (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Zinsen, Geldmenge und Silberpreis seit 1970

Zinsen, Geldmenge und Silberpreis seit 1970

Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben von Markt-Daten.de und Shadow Government Statistics (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

US-$ und Silberpreis seit 1980

Silberpreis

Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben von Markt-Daten.de (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Bezogen auf die zurückliegenden vier Jahrzehnte (1970 bis 2010) liegt der Korrelationskoeffizient für den Zusammenhang zwischen der Inflations- und Silberpreisentwicklung bei 0,41, bezogen auf den Zeitraum 1990 bis 2010 sogar bei 0,85 (bei Inflation und Gold: 0,72 bzw. 0,77), für die Zins- und Silberpreisentwicklung bei 0,05 bzw. -0,52 (Zinsen und Gold: -0,31 bzw. -0,58), für die Geldmengen- und Silberpreisentwicklung bei 0,52 bzw. 0,88 (bei Geldmenge und Gold: 0,79 bzw. 0,82) und für die Entwicklung des US-$-€-Verhältnisses und der Silberpreisentwicklung für 1980 bis 2010 bei 0,44 bzw. für 1990 bis 2010 bei 0,53 (Dollar und Gold: 0,52 bzw. 0,59). Daraus ist insgesamt der Schluss zu ziehen, dass steigende Gold- und Silberpreise gute Indikatoren für einen zunehmenden Vertrauensverlust in das Papiergeldsystem sind. Es steigt daher die Notwendigkeit, Gold und Silber wieder eine stärkere monetäre Funktion zuzugestehen. Dies wird vor allem dadurch begünstigt, dass die Edelmetalle nicht – wie Papiergeld – aus der Verschuldung eines anderen hervorgehen, sondern durch die Förderung eine Leistung bereits erbracht wurde.[15]

Da hohe Inflationsraten zu einer Reduzierung der realen Geldvermögen führen, sollen Investitionen in werthaltige Edelmetalle gerade vor solchen Vermögensverlusten schützen. Die Edelmetallpreise steigen dann in der Regel stärker als die Inflationsrate, sodass sie den inflationären Effekt überkompensieren und trotz Inflation eine reale Rendite erzielen. Steigende Edelmetallpreise infolge von Inflation bedürfen nicht einmal zwingend einer steigenden physischen Investitionsnachfrage, häufig reichen bereits die zunehmenden Inflationserwartungen aus, um die Edelmetallpreise steigen zu lassen. Aufgrund dieses Umstands sind Edelmetallpreissteigerungen somit als ein guter Seismograph für heraufziehende Inflationsgefahren anzusehen, was die Korrelationsanalyse vor allem für Gold, aber auch für Silber untermauert. Diesbezüglich sind Edelmetalle ein verlässlicherer Indikator als offizielle, staatlicherseits manipulierte Inflationsindikatoren, da sie auf die für das Heraufbeschwören von Inflationsgefahren ursächlichen Marktentwicklungen sensibel reagieren und entsprechende Informationen antizipieren. Insofern kann es auch nicht verwundern, dass Regierungen steigende Edelmetallpreise fürchten, da sie das Versagen ihrer Notenbanken im Hinblick auf die Zügelung der Inflation sowie ein sinkendes Vertrauen in die Stabilität des ungedeckten Papiergeldsystems aufzeigen.

Bei steigenden Inflationsgefahren sollten Notenbanken eigentlich die Zinsen anheben, um die Geldmenge zu verknappen, den Inflationsdruck zu vermindern und den Außenwert der Währung zu erhöhen. Seit der Jahrtausendwende tun sie aber das Gegenteil. Nach dem Abflauen der Finanzmarktkrise 2008/2009 zog das Wirtschaftswachstum zwar an, die Zinsen blieben aber ebenso niedrig wie der Außenwert des Dollars. Auch die offiziellen Inflationsraten waren weiter moderat, die Realzinsen zeitweise sogar negativ.[16] Gold und Silber profitieren von den niedrigen Realzinsen insofern, da hieraus geringere Opportunitätskosten für Edelmetallinvestments resultieren.[17] Demnach ist der Zusammenhang zwischen Zinsen und Edelmetallpreisen negativ. Die Korrelationsanalyse hatte dies für Gold bestätigt, bei Silber für den Zeitraum von 1990 bis 2010, nicht aber für 1970 bis 2010. Dies hing mit der geringen Varianz der Zinssätze zusammen sowie der mal gleichgerichteten, mal gegenläufigen Entwicklung. Zinswirkungen kommen aber auch darin zum Tragen, dass sie sich auf die Inflations-, Geldmengen- und Währungsentwicklung auswirken, die ihrerseits mit dem Gold- und Silberpreis eng korrelieren.

Der Exkurs "Segen und Fluch des Zinseszinseffekts" verdeutlicht vor dem Hintergrund des zuvor besprochenen Themenkomplexes, wohin ein primär zins- und wachstumsbasiertes Wirtschaftssystem früher oder später unweigerlich führen muss.[18]

Einfluss der Börsen- und Wirtschaftsentwicklung

Einer weit verbreiteten Ansicht zufolge ist die Entwicklung der Edelmetallpreise negativ mit der Börsenentwicklung korreliert. Demnach sollen Edelmetallpreise besonders dann steigen, wenn sich die Aktienmärkte in einer Schwächephase befinden, und sinken, wenn die Aktien steigen. Der langfristige statistische Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Silberpreises und des S&P 500 Index ist aber geringer als angenommen und zudem positiv (Schaubild 8.11; der Korrelationskoeffizient liegt für den Zeitraum von 1970 bis 2010 bei 0,27, für Gold bei 0,49). Auch Silberrendite und Rendite des S&P 500 Index – einem Indikator für das einige Monate später erwartete Wirtschaftswachstum – entwickeln sich unabhängig voneinander (Korrelationskoeffizient für den Zeitraum von 1951 bis 2002: 0,02), ebenso wie die Silberrendite und das tatsächliche US-Wirtschaftswachstum (Korrelationskoeffizient für den Zeitraum von 1955 bis 2003: 0,01[19]). Der Grund dafür ist, dass das Wirtschaftswachstum zwar die industrielle Silbernachfrage erhöht, gleichzeitig aber auch das Silberangebot, da die Produk­tion von Industriemetallen hochgefahren wird, bei deren Förderung Silber als Nebenprodukt anfällt.

S&P 500 Index und Silberpreis seit 1970

Silberpreis

Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben von Markt-Daten.de (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Edelmetalle eignen sich, da sie weder mit der Konjunktur noch der Börsenentwicklung korrelieren, somit gut zur Diversifizierung von Vermögensanlagen.[20] An den 20 % der schwächsten Tage des S&P 500 erwiesen sie sich mit +2 % gegenüber den breit angelegten Aktienindizes (deren Performance an diesen Tagen -6 bis -8 % betrug), aber auch gegenüber Öl (-6 %), Industriemetallen (-2,5 %), Agrarprodukten (-1 %) und Rohstoffen insgesamt (-0,25 %) als Safe Haven, also als sicherer Hafen.[21]

Einfluss der Preise anderer Metalle und Rohstoffe auf Gold und Silber

Rohstoff- und Edelmetallpreise durchlaufen einen ähnlichen Zyklus und entwickeln sich daher mitunter geradezu im Gleichklang. Das nächste Schaubild verdeutlicht den engen Zusammenhang zwischen dem Öl- und Silberpreis: Der Korrelationskoeffizient liegt für den Zeitraum von 1970 bis 2010 bei 0,81, für 1990 bis 2010 bei 0,91 (Öl und Gold: 0,87 bzw. 0,86). Ähnliches lässt sich auch für andere Rohstoffe zeigen: Der Zusammenhang zwischen der Entwicklung des breiter angelegten Rohstoffindexes CRB und dem Silberpreis ist mit Korrelationskoeffizienten von 0,83 bzw. 0,97 sogar noch etwas enger (CRB und Gold: 0,93 bzw. 0,94). Diese enge Korrelation hängt damit zusammen, dass steigende Rohstoffpreise eine gemessen an den Produktionskapazitäten der Bergbauunternehmen hohe Nachfrage signalisieren. Zunehmendes Wirtschaftswachstum impliziert zudem Inflationsgefahren, wobei steigende Rohstoffpreise ihrerseits trendverstärkend wirken. Insofern zeigt sich ein positiver Effekt der Wirtschaftsentwicklung auf den Silberpreis, auch wenn sich dieser bei isolierter Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Wirtschaftswachstum und Silberpreis nicht aufzeigen lässt.

Sehr eng ist schließlich auch der Zusammenhang zwischen dem Gold- und Silberpreis: Der Korrelationskoeffizient für den Zeitraum von 1900 bis 2010 liegt für die nominalen jahresdurchschnittlichen Preise bei 0,94 und für den Zeitraum von 1970 bis 2010 bei 0,85 bzw. für die realen Preise bei 0,82 bzw. 0,97. Auf den Preiszusammenhang zwischen den beiden Edelmetallen wird im auf Gold-Silber-Ratio noch näher eingegangen.

Rohöl- und Silberpreis seit 1970

Silberpreis

Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben von Markt-Daten.de (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Rohstoffindex CRB und Silberpreis seit 1970

Silberpreis

Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben von Markt-Daten.de (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Nominaler Gold- und Silberpreis seit 1970

Silberpreis

Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben von Markt-Daten.de (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Abruf: Aktueller Goldpreis und Silberpreis

Realer Gold- und Silberpreis seit 1970

Silberpreis und Goldpreis

Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung nach Angaben von Markt-Daten.de (Internet-Abruf vom 01.10.2012).

Überblick über die Ergebnisse der Korrelationsanalyse

In der abschließenden Tabelle sind die Ergebnisse der Korrelationsanalysen noch einmal im Überblick dargestellt.

Zusammenhang zwischen
Gold- bzw. Silberpreis und …

Zeitraum

Goldpreis

Silberpreis

von … bis …

Korrelationskoeffizient

Silberpreis

1900-2010

0,94

1,00

 

1970-2010

0,85

1,00

 

1990-2010

0,97

1,00

Ölpreis

1970-2010

0,87

0,81

 

1990-2010

0,86

0,91

Rohstoffindex CRB

1970-2010

0,93

0,83

 

1990-2010

0,94

0,97

US-Zinsen (Fed Funds)

1970-2010

-0,31

0,05

 

1990-2010

-0,58

-0,52

Inflationsentwicklung

1970-2010

0,72

0,41

 

1990-2010

0,77

0,85

US-Geldmenge M3

1970-2010

0,79

0,52

 

1990-2010

0,82

0,88

US-$-€-Verhältnis

1980-2010

0,52

0,44

 

1990-2010

0,59

0,53

S&P 500 Index

1970-2010

0,49

0,27

 

1990-2010

0,27

0,45

Minenproduktion von Silber

1900-2010

-

0,76

 

1970-2010

-

0,40

 

1990-2010

-

0,81

Investitionsnachfrage nach Silber

1985-2011

-

0,72

Angebotsdefizite/-überschüsse (Silber)

1990-2011

-

0,83

Für den Zeitraum von 1970 bis 2010 sind die ermittelten Zusammenhänge überwiegend schwächer ausgeprägt als dies für den Zeitraum von 1990 bis 2010 der Fall ist. Dafür sind die besonderen Umstände vor und nach dem Ende des letzten Aufschwungs der Edelmetallpreise Anfang der 1980er Jahre verantwortlich, die durch eine sehr hohe Volatilität der Edelmetallpreise gekennzeichnet war, u.a. bedingt durch die Verknappung des physischen Silbers aufgrund von Marktspekulationen sowie Öl- und Rohstoffkrisen und damit – wie auch mit der starken Erhöhung der Geldmengen – einhergehende hohe Inflationsraten. Das Vorliegen derartiger Zusammenhänge wird durch die Korrelationsanalysen nachhaltig bestätigt, insbesondere die enge Korrelation zwischen den Edelmetallpreisen und den Investitionen in Edelmetalle auf der einen Seite sowie auf der anderen Seite die positive Korrelation zwischen Edelmetallpreisen und den Preisen anderer Rohstoffe, der Inflation, der Geldmenge und dem US-$ bzw. der negativen Korrelation in Bezug auf die Zinsen. Dabei ist es unerheblich, welche ursächlichen Wirkungszusammenhänge zwischen den einzelnen Einflussgrößen tatsächlich bestehen, entscheidender ist letztendlich die vorliegende Gemengelage, die in mancherlei Hinsicht an jene Ende der 1970er Jahre erinnert, wobei die aktuelle Situation wohl weitaus dramatischer ist.

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