Der Goldpreis stieg am Mittwoch erneut auf sein Allzeithoch bei 2.686 US-Dollar an, trotz der enormen Dollarstärke in den vergangenen drei Wochen, gestiegener US-Staatsanleiherenditen und gesunkener Zinssenkungserwartungen. Laut den Fed Funds Futures rechnet der Markt nun mit einer Wahrscheinlichkeit von nur noch 93 % mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte am 7. November, während die Wahrscheinlichkeit für eine Zinspause bei 7 % liegt. Diese Zurückhaltung ist auf die jüngst starken Arbeitsmarktdaten und die höhere Inflation in den USA zurückzuführen. Ein möglicher Grund für die beeindruckende Stärke des Goldpreises könnten geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheiten in China sein, was historisch gesehen oftmals miteinander einherging.
Schwächere Inflationsdaten in Europa und Großbritannien haben die Erwartungen auf eine aggressivere Lockerung durch die EZB und die BoE geschürt, was den Euro und das britische Pfund, beide historisch überkauft, unter Druck setzte. Der Euro sank in den letzten drei Wochen von 1,12 US-Dollar auf 1,085 US-Dollar, das britische Pfund von 1,343 US-Dollar auf 1,297 US-Dollar. Diesen Abverkauf bei Euro und britischem Pfund hatte ich bereits prognostiziert, ebenso wie die diametral gegensätzliche Stärke des US-Dollars, nachdem dieser die Unterstützung bei 100 Punkten im USD-Index verteidigen konnte.
Die Stärke des Goldpreises nach einer Rallye von 46 % ist erstaunlich. Vor dieser Rallye hätte der Goldpreis bei einem so überkauften Terminmarkt, nach so überraschend guten Arbeitsmarktdaten, heißen Inflationszahlen und einer so starken Dollarrallye stark korrigiert. Es scheint, als würde sich der Goldpreis der Gravitation diesmal entziehen können und allen Widrigkeiten standhalten.
Die Gründe für diese Goldrallye fehlen bis dato
Das Jahr 2024 markierte eine der bemerkenswertesten
Goldrallyes der letzten Jahrzehnte. Anfang Oktober erreichte der Goldpreis mit
2.673 US-Dollar ein neues Allzeithoch, was einem Anstieg von 46 % gegenüber dem
Vorjahr entspricht. Sollte der Preis auf diesem Niveau verbleiben, wäre dies
der stärkste jährliche Anstieg seit 1979. Auch um die offiziell ausgewiesene
Inflationsrate bereinigt konnte der Goldpreis ein neues Allzeithoch erreichen.<
Die Weltwirtschaft befindet sich aktuell zwar in einer angespannten Lage und steht davor in eine Rezession abzugleiten, doch fehlen klare Katalysatoren, die diesen außergewöhnlichen Preisschub im Jahresverlauf hätten erklären können. Die Rallye ereignete sich in einem Umfeld hoher Zinsen, schrumpfender Zentralbankbilanzen, abnehmender Liquidität, sinkender Inflationsraten, haussierender Aktienmärkte und eines weitgehend stabilen geopolitischen Rahmens – abgesehen vom Krieg in der Ukraine, der jedoch kaum Einfluss auf den Goldpreis hatte. All diese Faktoren hätten eigentlich gegen einen derartigen Preisanstieg gesprochen.
Da es keinen klar ersichtlichen Grund gab, in Gold zu investieren, blieb das Interesse im Westen zunächst gering. Trotz der Rallye verzeichneten westliche Gold-ETFs Abflüsse, bevor sich ab Mai die Rallye selbst nährte und es erste Zuflüsse gab. Dennoch lagen die aggregierten Bestände aller ETFs weltweit Ende September immer noch 25,5 Tonnen unter dem Jahresanfangsstand. Normalerweise ist der kausale Zusammenhang klar, wirtschaftliche oder politische Gründe sorgen für eine Flucht in den sicheren Hafen des Goldes, worauf die ETF-Bestände ansteigen und damit auch der Goldpreis. Diesmal stieg der Goldpreis, während der Westen größtenteils abseitsstand. Stattdessen nutzten viele Edelmetallbesitzer im Westen die hohen Preise, um Münzen und Barren zu verkaufen, was zu einem regelrechten Ansturm auf die Edelmetallhändler führte.
Das geringe Interesse im Westen erklärt auch, warum die Aktien der Goldminenunternehmen trotz der Rallye relativ schlecht abschnitten. Zwar konnte der HUI-Goldminenindex von seinen Tiefständen zu Jahresbeginn um 70 % zulegen, doch liegt er mit rund 330 Punkten weit unter seinem Höchststand von 640 Punkten aus dem Jahr 2011. Da klare, nachvollziehbare Gründe für die Rallye fehlten, zweifeln viele Marktteilnehmer an der Nachhaltigkeit der Goldrallye, was rational erscheint. Nach Erreichen meines Korrekturziels bei 200 Punkten im HUI hatte ich meinen Premium-Abonnenten ausdrücklich empfohlen, ihre Engagements in Minenaktien maximal auszubauen und den nächsten Anstieg auch gehebelt zu begleiten – eine Entscheidung, die sich rückblickend als perfektes Timing erwiesen hat.
Nach Angaben des World Gold Council (WGC) kauften die Zentralbanken im ersten Halbjahr 2024 eine Rekordmenge von 483 Tonnen Gold, was zwar einen Anstieg gegenüber den 460 Tonnen im gleichen Zeitraum des Vorjahres darstellt, jedoch nur einen moderaten Zuwachs bedeutet. Dennoch war die Gesamtnachfrage nach Gold mit 2.044,2 Tonnen im ersten Halbjahr niedriger als im Vorjahr (2.159,6 Tonnen) und lag auch unter den 2.179,3 Tonnen von 2022. Da gleichzeitig das Goldangebot im ersten Halbjahr 2024 auf 2.441,3 Tonnen anstieg und sich damit auch das WGC diesen Preisanstieg nicht erklären kann, wird die Lücke des Überangebots von 397,1 Tonnen zu außerbörslichen OTC-Käufen erklärt, denn irgendjemand muss ja schließlich gekauft haben, wenn der Preis steigt, anstatt zu fallen. Da der Preis sogar eine historische Rallye vollzog, müssen diese OTC-Käufe noch viel größer gewesen sein. Dies führt uns zu der Frage: Wer kauft da draußen in solch großem Stil Gold und warum?
OTC (Over-the-Counter) Käufe bei Gold sind Transaktionen, die außerhalb einer Börse direkt zwischen Banken, Minenunternehmen und institutionellen Investoren stattfinden, wodurch große Mengen Gold flexibel und diskret gehandelt werden können. Der OTC-Markt bietet den Beteiligten Anonymität, da besonders im Goldmarkt viele große Käufer, darunter Zentralbanken, ihre Aktivitäten nicht offenlegen wollen.
Die Akkumulationsphase der Stagflation
Ende 2019 stand ich mit meiner Prognose eines neuen Jahrzehnts der Stagflation, einem Ende der Nullzinsen und in Bälde inflationsinduziert stark steigender Zinsen völlig allein auf weiter Flur. Seit ein bis zwei Jahren ist die Stagflation jedoch in aller Munde. Meine Vermutung ist, dass hinter den Käufen am Goldmarkt großes Geld steckt, dass die Unausweichlichkeit der Stagflation erkannt hat und deshalb aus dem Aktien- und Anleihenmarkt in Gold (Cash) flieht, was bereits in der Stagflation der siebziger Jahre die beste Investmententscheidung war. Diese Kreise wissen womöglich, dass wir unmittelbar vor einer neuen Krise stehen, auf die höhere Inflation und höhere Zinsen folgen werden. Ihnen ist es daher egal zu welchem Preis sie in Gold allozieren, da sie dieses Investment über viele Jahre halten werden. Dies würde die bisherige Rallye und die andauernde Stärke des Goldpreises erklären.
Noch glauben die Märkte es könnte alles so weitergehen wie in den letzten 40 Jahren, als durch sukzessive Zinssenkungen immer neue künstliche Konjunkturaufschwünge herbeigezaubert wurden, ohne dabei Inflation zu erzeugen. Einmal bei Nullzinsen angekommen, kann dieser Prozess des Schuldenaufbaus nicht mehr fortgesetzt werden und die Illusion keynesianisch-sozialistischer Geldpolitik und Wirtschaftssteuerung findet letztlich ihr bitteres Ende in einer großen Wirtschaftskrise, die von Inflation begleitet wird.
Spätestens im nächsten Jahr wird die Realität die Märkte einholen, und viele werden verzweifelt nach alternativen Anlagemöglichkeiten suchen, wenn entgegen dem Marktkonsens die Inflation und die Zinsen nach der Einführung neuer Stimuli, als Reaktion auf eine Krise oder Rezession, steigen werden. Dies wird das westliche Kapital, das an der Goldrallye bisher nicht beteiligt war, aus dem Aktien- und Anleihenmarkt in den Goldmarkt lenken, worauf der Goldpreis in den nächsten Jahren weiter haussieren dürfte.
Bei der außergewöhnlichen Goldrallye könnte es sich also um ein Frontrunning des smarten Geldes handeln, das die Stagflation und eine neue Krise bereits erwartet. Die Prognosen der Fed einer stabilen Wirtschaftsentwicklung und niedriger Inflation werden sich bald als falsch herausstellen. Die Fed ist sich dessen bewusst, sonst hätte sie die Zinsen nicht um stark um 50 Basispunkte gesenkt. Auch wenn es so scheint, als würde der Goldpreis schon fast den Mond erreichen, so gibt es noch weitaus mehr Potenzial nach oben. Sollte es in einer Krise, nochmals zu einem scharfen Einbruch am Gold-, Silber- und Minenmarkt kommen, sollte man dies als letzte Chance für günstige Käufe sehen, bevor sich die Goldhausse in den nächsten Jahren der Stagflation fortsetzen wird.